Durch den Bundesgerichtshof wurde mit weitreichender Wirkung für die Immobilienbranche entschieden, dass Schriftformheilungsklauseln generell unwirksam sind: Denn wegen der mehrheitlichen Formwidrigkeit befristeter Mietverträge besteht das ständige Risiko einer vorzeitigen Kündigung. Der bisherige Schutz durch die bekannten Schriftformheilungsklauseln wurde durch die höchstrichterliche Entscheidung beseitigt.
Der Fall:
Mit Vertrag vom 8. Dezember 1998 mietete die Beklagte von der D. K. AG Ladenräume; die Allgemeinen Vertragsbedingungen Gewerbemietvertrag (AVG) waren als Bestandteile in den Vertrag einbezogen. Ein Nachtrag zum Vertrag enthielt unter anderem folgende Regelung:
„Den Parteien ist bekannt, dass dieser Mietvertrag, der eine Laufzeit von mehr als einem Jahr hat, der Schriftform bedarf. Die Parteien wollen diese Schriftform einhalten. Sie verpflichten sich deshalb gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um den gesetzlichen Schriftformerfordernissen Genüge zu tun. Dies gilt sowohl für den Mietvertrag, als auch für sämtliche Nachtrags-, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen.“
In einem weiteren Nachtrag war unter anderen vereinbart:
„Die Parteien verpflichten sich gegenseitig, jederzeit alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis gemäß § 550 BGB, insbesondere im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Nachtrages sowie weiteren Nachträgen, Genüge zu tun und bis dahin den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform vorzeitig zu kündigen.“
Mit Schreiben vom 20. Juni 2014 erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 2014. Die anschließend erhobene Räumungsklage hat das Landgericht abgewiesen; auch die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben; sie verfolgt ihr Räumungs- und Herausgabeverlangen mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision weiter.
Die Entscheidung:
Der Gesetzgeber schützt den Erwerber einer vermieteten Immobilie dadurch, dass dieser sich aus einem schriftlichen Mietvertrag über alle wesentlichen Vertragsbedingungen informieren können soll; er soll dagegen nicht dauerhaft an mündliche Vereinbarungen gebunden sein. Zum anderen bezweckt die Schriftform zugunsten der Parteien einen Übereilungsschutz: Die Parteien sollen langfristige Bindungen anlässlich eines schriftlichen Vertragsschlusses intensiv abwägen.
Die Praxis ist durch häufige Verletzungen der Schriftform gekennzeichnet, dies immer mit dem Risiko einer vorzeitigen Vertragskündigung. Häufig sind daher Versuche von Vertragsparteien den Mietvertrag aus unterschiedlichsten Gründen wirtschaftlich neu auszuhandeln oder mangels Fortführungsinteresse zu beenden. Dem Risiko der vorzeitigen Kündbarkeit von Mietverträgen hat die Praxis Schriftformheilungskosten (wie oben) entgegengestellt.
Solchen Schriftformheilungsklauseln hat der Bundesgerichtshof nun eine Absage erteilt, weil diese im Widerspruch zu der zwingenden Regeln des § 550 BGB stehen. Als Korrektiv will der Bundesgerichtshof aber abweichende Entscheidungen aus Billigkeitsgründen zulassen: So soll eine Kündigung gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie sich auf einen Formmangel stützt, der erst durch eine nachträgliche Vertragsänderung herbeigeführt wurde, die alleine für die kündigende Partei von Vorteil war.
Im vorliegenden Fall war eine vertragliche Wertsicherungsklausel – ohne Einhaltung der Schriftform – zugunsten des Vermieters verändert worden. Später hat der Vermieter den Vertrag mit der Begründung gekündigt, dass die Änderung schriftformwidrig erfolgt sei. Konsequent hat der Bundesgerichtshof die Kündigung für unzulässig erklärt.
BGH, Urteil vom 27. September 2017 – Az.: XII ZR 114/16