Mandantenfrage:
Mit unserem Unternehmen sind wir gerade dabei den Neubau eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes zu realisieren. Wir haben zur Begleitung unseres Projektes einen Architekten mit den Architektenleistungen der Objektplanung Gebäude Leistungsphasen 1 bis 8 gemäß § 33 HOAI (2009) beauftragt. In seinem Leistungsbild steht in der Leistungsphase 7 (Mitwirken bei der Vergabe) unter Grundleistung h) gem. Anlage 11 zu § 33 S. 3 HOAI 2009, dass er die Mitwirkung bei der Erteilung der Aufträge mit den bauausführenden Unternehmen schuldet. Uns wurde gesagt, dass der Architekt dabei verpflichtet sei, Verträge zu entwerfen bzw. sämtliche Vertragsunterlagen zusammenzustellen, die auf die Interessen des Bauherrn abgestellt sind. Der Architekt weigert sich die Bauverträge zu entwerfen und uns zur Verfügung zu stellen. Er verweist uns diesbezüglich auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts und verweigert die Leistung, obwohl er hierfür eine Vergütung erhält.
Müssen wir für die Erstellung der Bauverträge einen Rechtsanwalt hinzuziehen, der uns zusätzlich Geld kostet?
Expertenantwort:
Der Architekt verhält sich richtig. Würde der Architekt auf die Interessen des Bauherrn abgestellte Verträge entwerfen, würde er eine unerlaubte Rechtsdienstleistung erbringen, die ihn schadensersatzpflichtig nach § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) machen, so der BGH in seinem Urteil vom 09.11.2023 (VII ZR 190/22). Der Entwurf eines auf die Interessen des Bauherrn abgestellten Bauvertrages stelle eine unzulässige Rechtsdienstleistung dar. Zwar sei nach § 3 RDG die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen zulässig, wenn sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt werde. Die Erstellung von Verträgen, abgestimmt auf die Interessen des Bauherrn, stelle jedoch eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG dar, die nicht mehr durch den Erlaubnistatbestand gemäß § 5 Abs. 1 S. 1, 2 RDG oder durch das Architektenleistungsbild gemäß Anlage 11 Leistungsphase 7 Grundleistung h) zu § 33 S. 3 HOAI (2009) (= Anlage 10, Ziffer 10.1 Leistungsphase 7 Grundleistung h) zu § 34 Abs. 4 HOAI 2021) gedeckt sei. Für eine solche Rechtsdienstleistung gebe es nach der Meinung des BGH auch sonst keine Rechtfertigung.
Eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine Prüfung des Einzelfalls erfordert. Hiervon wird jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über die bewusste schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht, verstanden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es eine einfache oder schwierige Rechtsfrage sei. Die Gestaltung von Verträgen mit dem bauausführenden Unternehmen erfordert eine Prüfung im Einzelfall, ob die jeweiligen Bestimmungen der Interessenlage der Bauherren entsprechen.
Die Gestaltung von Verträgen ist auch nicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 RDG erlaubt. Nach dieser Bestimmung sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als bloße Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ziel dieses Erlaubnistatbestandes ist es einerseits, diejenigen, die in einem nicht spezifisch rechtsdienstleistenden Beruf tätig sind, nicht in ihrer Berufsausübung zu behindern und andererseits, den erforderlichen Schutz der Rechtssuchenden vor unqualifizierten Rechtsrat zu gewährleisten. Zwar ist es richtig, dass das Aufgabengebiet und das Berufsbild des Architekten in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen hätten, weil es zum Erreichen der vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele notwendig sein könne, über Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts zu verfügen und diese in der Beratung des Bauherrn umzusetzen. Es ist auch anerkannt, dass die Rechtsprechung z.B. von den Architekten nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts des BGB und der entsprechenden Vorschriften der VOB fordere (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 26.04.1979 – VII ZR 190/78). Ferner fordere die Tätigkeit des Architekten ausdrücklich, den Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern und in diesem Zusammenhang die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Planungs- und Bauordnungsrecht in seine Beratung einzubeziehen (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 11.02.2021 – I ZR 227/19). Der Architekt dürfe jedoch nicht mit einem Rechtsberater des Bauherrn gleichgesetzt werden. Eine allgemeine Rechtsberatung wird von dem Berufsbild des Architekten nicht erfasst. Die Zurverfügungstellung einer Interessenlage des Bauherrn erstellten Vertragsentwurfs gehe über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus.
Auch das Leistungsbild gemäß Anlage 11 Leistungsphase 7 Grundleistung h) zu § 33 S. 3 HOAI (2009) schaffe keinen Erlaubnistatbestand für den Architekten zur Erbringung solcher Rechtsdienstleistungen. Zwar werde zu dieser Grundleistung in der Kommentarliteratur und Rechtsprechung vielfach vertreten, dass der Architekt verpflichtet sei, Verträge zu entwerfen bzw. sämtliche Vertragsunterlagen zusammenzustellen, die auf die Interessen des Bauherrn abgestellt seien. Um diese Verpflichtung zu erfüllen, müsse die Leistung in Anlage 11 zur HOAI 2009 jedoch einen Erlaubnistatbestand im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG darstellen. Diese Meinungen verkennen jedoch, dass ein Erlaubnistatbestand nicht aus der HAOI abgeleitet werden könne, weil der Verordnungsgeber durch die Ermächtigungsgrundlage in Art. 10 Abs. 1 MRVG, welche ihn zur Aufstellung der HOAI berechtigt, nicht ermächtigt wurde, Erlaubnistatbestände für die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 3 RDG zu regeln. Die Ermächtigung beschränkte sich vielmehr darauf eine Honorarordnung für Ingenieure und Architektenleistungen zu erlassen. Die HOAI stehe zudem als Rechtsverordnung im Rahmen der Normenhierarchie unter dem Rechtsdienstleistungsgesetz als formellem Gesetz, weshalb nicht die rangniedrigere Regelung der ranghöheren Regelung einen Erlaubnistatbestand einräumen könne.
Selbst wenn der Architekt einen Bauvertrag zur Hand hätte, der von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens geprüft worden sei, ändert dies nichts an der Unzulässigkeit der Rechtsdienstleistung und der Nichtigkeit einer entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach sich der Architekt zur Erbringung solcher Leistungen verpflichten würde.
Handlungsempfehlung:
Der Architekt schuldet nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weder die Erstellung von Bauverträgen noch die Formulierung oder Ergänzung der Bauverträge um einzelne Klauseln. Der Architekt erfüllt seine Pflicht nach dem Vertrag, in dem er dem Bauherrn darauf hinweist, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt seien und der Bauherr sich insoweit deshalb an einen Rechtsanwalt zu wenden hätte.
Auch Nachunternehmerkonstruktionen, wonach sich der Planer verpflichtet, für solche Leistungen einen Rechtsanwalt als Nachunternehmer einzuschalten, dürften damit unzulässig sein. Da entsprechende Beratungsleistungen auch nicht vom Versicherungsschutz des Architekten gedeckt sind, ist den Planern zu empfehlen, von diesem Hinweisrecht Gebrauch zu machen, und für den Fall, dass der Bauherr keinen Rechtsanwalt für die Erstellung von Bauverträgen hinzuzieht oder der Bauherr solche Bauverträge dem Architekten nicht zur Verfügung stellt, Behinderung anzuzeigen.