Mandantenfrage:
Mein Mann und ich lassen zurzeit ein neues Einfamilienhaus auf unserem Grundstück errichten. Die Baukosten finanzieren wir zu ca. 1/3 mit Eigenkapital zu ca. 2/3 durch ein durch Grundschuld auf unserem Grundstück gesichertes Bankdarlehen. Die einzelnen Gewerke vergeben wir mit Hilfe unseres Architekten an unterschiedliche Bau-Auftragnehmer. Rohbau einschließlich Dach und Dacheindeckung sind weitgehend fertig. Es sollen jetzt alle Fenster eingebaut werden. Den Auftrag hierfür haben wir vor wenigen Wochen an die Fa. Fensterbauer erteilt; die Auftragssumme beträgt ca. Euro 80.000,00. Noch bevor Fa. Fensterbauer auch nur ein einziges Fenster eingebaut hat, verlangt sie nun von uns eine „Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB“ in Höhe der vollen Euro 80.000,00. Sie hat uns dafür eine Frist von zwei Wochen gesetzt.
Wir verstehen nicht, warum wir eine Sicherheit leisten sollen, nachdem die Fa. Fensterbauer auf unserer Baustelle noch nichts geleistet hat. Außerdem haben uns Freunde, die im Jahre 2016 ein Einfamilienhaus ebenfalls mit Vergabe von Einzelgewerken haben bauen lassen, erzählt, wir als Verbraucher müssten eine solche Sicherheit nicht stellen.
Wer hat Recht? Wie sollen wir uns verhalten?
Expertenantwort:
Die Fa. Fensterbauer hat – leider – Recht.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) nennt Sie als Auftraggeber „Besteller“ und die Fa. Fensterbauer als Auftragnehmer „Unternehmer“. Wir benutzen nachfolgend die Begriffe des BGB.
Die sogenannte Bauhandwerkersicherung war für bis zum 31.12.2017 abgeschlossene Verträge in § 648a Abs. 1 bis 5 BGB aF (alte Fassung) geregelt. Schon danach hatte der Unternehmer eines Vertrages über Bauleistungen, das Recht, auch ohne entsprechende Vereinbarung im Vertrag vom Besteller die dort näher geregelte Sicherheit in Höhe seiner vollen Auftragssumme zu verlangen. Die Regelung steht vor dem Hintergrund, dass der Unternehmer mit seinen Bauleistungen vorleistungspflichtig ist, also Zahlungen (Abschlagszahlungen und Schlusszahlung) erst verlangen kann, wenn er zuvor auf der Baustelle schon Leistungen erbracht hat.
§ 648a Abs. 7 BGB aF regelte: „Eine von den Absätzen 1 bis 5 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“ Die Parteien konnten also den jederzeitigen Anspruch des Unternehmers auf die Bauhandwerkersicherung nicht wirksam ausschließen.
§ 648a Abs. 6 BGB aF sah jedoch u.a. folgenden Ausnahmefall vor:
„(6) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn der Besteller
1. …, oder
2. eine natürliche Person ist und die Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung ausführen lässt.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht bei Betreuung des Bauvorhabens durch einen zur Verfügung über die Finanzierungsmittel des Bestellers ermächtigten Baubetreuer.“
(Hervorhebung vom Unterfertigten)
Diese Ausnahme Nr. 2 hätte in Ihrem Fall dazu geführt, dass die Fa. Fensterbau von Ihnen keine Handwerkersicherung hätte verlangen können. Für Ihre Freunde, die 2016 gebaut haben, traf das also zu.
Dies hat sich jedoch für alle seit dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauverträge geändert:
Im Rahmen des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts vom 28.04.2017 (Bundesgesetzblatt 2017 I S. 969 ff.), welches – mit Ausnahme einiger früherer Einzelbestimmungen (z.B. § 648a BGB aF) – den Bauvertrag erstmals eigenständig im BGB regelt, ist an die Stelle von § 648a BGB aF der neue § 650f BGB getreten, der für alle seit dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauverträge (Definition siehe § 650a BGB) gilt. § 650f Abs. 1 bis 5 BGB sind gegenüber § 648a Abs. 1 bis 5 BGB aF im Wesentlichen unverändert. Auch § 650f Abs. 7 BGB ist wortgleich mit § 648a Abs. 7 BGB aF. Auch wenn Sie den Anspruch auf Bauhandwerkersicherung in Ihrem Vertrag mit Fa. Fensterbau ausgeschlossen hätten, wäre diese daran nicht gebunden.
Ihr Problem liegt aber darin, dass die Ausnahme in § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB gegenüber § 648a Abs. 6 Nr. 2 BGB aF in ihrem Wortlaut erheblich verändert wurde. § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB lautet jetzt:
(6) Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn der Besteller
1. …
2. Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i oder um einen Bau-trägervertrag nach § 650u handelt.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht bei Betreuung des Bauvorhabens durch einen zur Verfügung über die Finanzierungsmittel des Bestellers ermächtigten Baubetreuer.“
(Hervorhebung vom Unterfertigten)
Verbraucherbauverträge nach § 650i Abs. 1 BGB „sind Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.“
(Hervorhebung vom Unterfertigten)
Sie sind zwar Verbraucher (§ 13 BGB : „… jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“). Aber: Beim Bau eines Hauses mittels Einzelvergabe der Baugewerke an unterschiedliche Unternehmer werden der einzelnen Unternehmer nicht „zum Bau eines neuen Gebäudes“ (und auch nicht „zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude“) verpflichtet, sondern nur zu einem oder mehreren Einzelgewerken (z.B. Aushub, Rohbau, Installationen etc. oder – wie hier – zum Einbau aller Fenster) anlässlich des Baus eines neuen Gebäudes (oder bei erheblichen Umbaumaßnahmen).
Seit Inkrafttreten des neuen § 650f BGB war Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob es sich dabei möglicherweise um ein Versehen des Gesetzgebers handelt, ob die Worte „beim Bau eines Hauses“ nicht auch auf einzelne Gewerke (hier: Fenster) zu beziehen sind oder ob jedenfalls Gedanke des Verbraucherschutzes erfordert § 650f Abs. 6 BGB entsprechend nach wie vor auch auf den Fall der Errichtung eines Hauses durch Verbraucher im Wege der Einzelvergaben anzuwenden.
Diese Streitfrage hat der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch in einem Grundsatzurteil vom 16.03.2023 – VII ZR 94/22 – abrufbar z.B. bei www.bundesgerichtshof.de) wie folgt entschieden:
„1. Um einen Vertrag mit einem Verbraucher, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird (Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB), handelt es sich nicht, wenn sich der Unternehmer nur zur Herstellung eines einzelnen Gewerks verpflichtet, das im Rahmen des Baus eines neuen Gebäudes zu erbringen ist. (Rn.18)
2. Die Ausnahmevorschrift des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB findet in einem solchen Fall eben-falls keine Anwendung. (Rn.30)“
In seiner Urteilsbegründung (Rn. 18 ff.) zeigt der BGH – unter detaillierten Hinweisen auf das Gesetzgebungsverfahren, die Gesetzessystematik und auf europarechtliche Hintergründe der Neuregelung – auf, dass es sich bei der Neuregelung weder um ein Versehen noch um eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers handelt, sondern um eine bewusste Entscheidung. Über diese können sich die Gerichte nicht hinwegsetzen.
Ergebnis: Die Fa. Fensterbau hat Recht. Sie sind verpflichtet, die von ihr geforderte Bauhandwerkersicherung zu stellen. Die gesetzte Frist von zwei Wochen ist im Regelfall auch angemessen, wenn bei Ihnen keine besonderen Gründe vorliegen, die eine längere Frist als erforderlich und angemessen erscheinen lassen.
Handlungsempfehlung:
Sie müssen sich bitte schnellstmöglich um die Stellung der Sicherheit kümmern.
Denn, wenn der Besteller die Sicherheit trotz ihm vom Unternehmer gesetzter angemessener Frist nicht stellt, „so kann der Unternehmer die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen. Kündigt er den Vertrag, ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 Prozent der auf den noch nicht er-brachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.“ (§ 650f Abs. 5 BGB).
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Sicherheitsleistung, (siehe §§ 232 ff. BGB und § 650f Abs. 3 BGB), darunter eine speziell auf § 650f BGB zugeschnittene Bankbürgschaft. Sie sollten sich umgehend mit Ihrer finanzierenden Bank in Verbindung setzten. Mir dieser sollten Sie zu klären versuchen, dass der für die Bürgschaft erforderliche Kredit („Aval“) durch entsprechende Vereinbarung über die ohnehin bereits im Grundbuch eingetragene Grundschuld gesichert wird. Schließlich geht es für die Bürgschaft zwar formell um einen zusätzlichen Kredit neben dem Baudarlehen. Aber das Geld für die Fenster wird gleichwohl nur einmal benötigt. Die Bankgebühren für den Bürgschaftskredit hat der Unternehmer Ihnen im Regelfall bis zu einem Höchstsatz von bis zu 2 % für das Jahr zu ersetzen (§ 605f Abs. 4 Satz 1 BGB).
Parallel sollten Sie – ohne deren Anspruch auf die Sicherheit zu bezweifeln – bei der Fa. Fensterbau herauszufinden versuchen, was denn deren Motiv für ihr Sicherungsverlangen ist. Vielleicht können Sie das Verlangen beispielsweise durch Vorlage einer Finanzierungsbestätigung Ihrer Bank oder andere vertrauensbildende Maßnahmen noch abwenden oder wenigstens deren Höhe herunterhandeln und erforderlichenfalls eine ausreichende Verlängerung der Frist zur Stellung der Sicherheit vereinbaren.
Sollten weitere Schwierigkeiten auftreten, so sollten Sie sich sehr bald des Rates von im Bauvertrags-recht versierten Anwält*Innen bedienen.
Dr. Thomas Schwamb
SFR SCHWAMB FISCHER OSWALD RECHTSANWÄLTE PartGmbB, München