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Neues zum Verbraucher-Widerruf

Mandantenfrage:

Wir (Meisterbetrieb für Bodenbeläge) sind wieder einmal verunsichert im Hinblick auf das Widerrufsrecht von Verbrauchern.

Stimmt es, dass Verbraucher auf der Baustelle erteilte Nachträge widerrufen können und wir kein Geld bekommen, auch wenn wir die Nachtragsleistungen ausgeführt haben?

Expertenantwort:

Juristisch gesehen ist jede Vertragsänderung und damit auch jeder Nachtrag wiederum ein Vertrag und damit ist auch für jeden dieser Fälle (Vereinbarung von mehr Leistung, von weniger Leistung, einer anderen Leistung) selbstständig zu prüfen, ob möglicherweise ein Widerrufsrecht besteht.

Die Änderung eines Vertrages und damit auch ein Nachtrag setzt voraus, dass der Kunde verbindlich erklärt, dass er diese andere Leistung haben möchte. Insofern führt an der Feststellung, dass es sich dabei juristisch gesehen jeweils wiederum um einen Vertrag handelt, kein Weg vorbei.
(Rechtsprechung: OLG Karlsruhe Urt. v. 14.04.2023 – 8 U 17/23)

Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers wegen eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrages besteht dann, wenn der Verbraucher diese seine verbindliche Erklärung außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Vertreters abgegeben hat.

Das ist dann der Fall, wenn der Verbraucher ein auf der Baustelle unterbreitetes Angebot des Unternehmers, diese oder jene Leistung zusätzlich auszuführen, unmittelbar annimmt oder auch dann, wenn nur der Verbraucher seine verbindliche Erklärung auf der Baustelle in Anwesenheit des Unternehmers abgibt und der Unternehmer dieses Angebot später annimmt.

Das Widerrufsrecht besteht dann nicht, wenn der Unternehmer sein Angebot für eine Nachtragsleistungen in Anwesenheit des Verbrauchers auf der Baustelle diesem gegenüber abgibt, der Verbraucher jedoch die Gelegenheit hat, dieses Angebot zu überdenken und z.B. dann später den Nachtrag telefonisch oder schriftlich oder per E-Mail erteilt.

Das Widerrufsrecht besteht deshalb auch dann nicht, wenn der Verbraucher z.B. am nächsten Tag nach Unterbreitung des Nachtragsvorschlages durch den Unternehmer ebenfalls auf der Baustelle dieses Angebot annimmt.

(Rechtsprechung: BGH Urt. v. 06.07.2023 – VII ZR 151/22)

Zwischenergebnis:

Wenn der Verbraucher seine verbindliche Erklärung, einen Nachtrag haben zu wollen, in Anwesenheit des Unternehmers auf der Baustelle abgibt, besteht klar ein Widerrufsrecht.

Weiterhin trifft es leider zu, dass der Unternehmer keinen Anspruch auf Vergütung hat, wenn der Verbraucher in einem solchen Fall seine Vertragserklärung widerruft, und der Unternehmer inzwischen aber schon den Nachtrag ausgeführt hat:

Das ist die klare Konsequenz des deutschen Rechts, welches insoweit eine EU-Richtlinie vollständig umgesetzt hat (sogenannte Vollharmonisierung) und ist auch schon vielfach entschieden, bis zum europäischen Gerichtshof.

(Rechtsprechung: z.B. OLG Stuttgart v. 17.07.2018 – 10 U 143/17; EuGH Urt. v. 17.05.2023 – Rs. C-97/22)

Für den Bereich des Werkvertrages gibt es keine Regelung, wonach bei Verbraucherwiederruf eines außerhalb eines Geschäftsraumes abgeschlossenen Vertrages Werklohn oder Wertersatz zu leisten ist.

Anders verhält es sich beim sogenannten Verbraucherbauvertrag: Bei einem Verbraucherbauvertrag besteht immer ein Widerrufsrecht, egal wo der Vertrag abgeschlossen wurde, aber nach erfolgreichem Wiederruf hat der Auftraggeber Wertersatz für die erbrachten Leistungen zu zahlen.

Ein Verbraucherbauvertrag liegt aber nur vor, wenn das gesamte Bauwerk in allen Gewerken von einem Unternehmer ausgeführt wird (sogenannter Bau aus einer Hand, z.B. Generalunternehmervertrag); bei Beauftragung mit Einzelgewerken kann niemals ein Verbraucherbauvertrag vorliegen.

Handlungsempfehlung:

Auch aus anderen Gründen ist unbedingt darauf zu achten, dass auf der Baustelle erteilte Aufträge, Nachträge oder was auch immer vom Unternehmer, nicht nur im Hinblick auf das Widerrufsrecht, dokumentiert werden und eine Bestätigung durch den Auftraggeber verlangt wird, z.B. in folgender Form:

„Wir bestätigen hiermit den heute,…. auf der Baustelle erteilten Nachtrag, auch den Estrich im Nebengebäude einzubringen oder 5 weitere Fenster im Westflügel zu liefern und zu montieren oder auch die Ostfassade wärmezudämmen gemäß unserem Angebot vom…. für eine Vergütung von….

Sie erhalten hiermit die Widerrufsbelehrung, weil dieser Nachtrag außerhalb von Geschäftsräumen erteilt wurde.

Bitte unterzeichnen Sie diese Widerrufsbelehrung und senden Sie diese an uns zurück, zusammen mit der Anweisung, sofort mit der Ausführung des Nachtrages zu beginnen, wenn wir dies vor Ablauf der Widerrufsfrist tun sollen.“

Damit ist dann die entsprechende Widerrufsbelehrung nach Anl. 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S.2 EGBGB zu übermitteln, mit Widerrufsformular und Anweisung zum sofortigen Beginn mit der Ausführung, wenn der Kunde das will.

Die entsprechenden Formulare sind z.B. über die Website des Bundeswirtschaftsministeriums abrufbar. Es sollten unbedingt die „amtlichen“ Formulare verwendet werden.

Damit schlägt der Unternehmer 2 Fliegen mit einer Klappe, weil er dann auch Beweisschwierigkeiten über den Inhalt des Nachtrages (was ist zu tun für welche Vergütung) vermeidet.

Generell sollte man lieber einmal zu viel als einmal zu wenig eine Widerrufsbelehrung erteilen, auch um Beweisschwierigkeiten im Hinblick darauf, wo und wann denn nun genau die Willenserklärung des Verbrauchers abgegeben wurde, zu vermeiden.

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