Mandantenfrage:
Wir sind ein mittelständischer Bauunternehmen und haben mit der öffentlichen Hand einen Bauvertrag geschlossen. Da wir die Arbeiten nicht zum vereinbarten Fertigstellungstermin beendet haben, ist eine Vertragsstrafe angefallen. Vertraglich vereinbart haben wir als Vertragsstrafe „5 % der Abrechnungssumme“. Den Vertrag hatte damals der Bauherr gestellt. Wir streiten uns jetzt mit dem Bauherrn, ob sich die Vertragsstrafe nach der Brutto- oder der Netto-Abrechnungssumme richtet. Der Bauherr meint, die 5 % von der Brutto-Abrechnungssumme beanspruchen zu dürfen.
Expertenantwort:
Der Begriff „Abrechnungssumme“ ist nicht eindeutig. Der Begriff ist daher auszulegen. Wenn es sich bei der vom Bauherrn verwendeten Vertragsstrafenklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, ist die Klausel nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Das führt hier allerdings nicht weiter; der Begriff „Abrechnungssumme“ bleibt mehrdeutig. Deshalb kommt im Streitfall die Regelung des § 305c Abs. 2 BGB zum Zug. Danach ist der mehrdeutige Begriff „Abrechnungssumme“ so auszulegen, dass diejenige Auslegung maßgebend ist, durch die der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders (hier: Bauherr) begünstigt wird. Denn nach § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Im Streitfall würde ein Gericht die vereinbarte Abrechnungssumme daher als Netto-Abrechnungssumme auslegen.
Handlungsempfehlung:
Den Vertragsparteien ist anzuraten, das Vertragswerk vor der Unterzeichnung auf Verständlichkeit durchzuschauen. Das gilt nicht nur für vertragliche Regelungen, sondern auch für technische Inhalte, z.B. Schnittstellenbeschreibungen, technische Anforderungen. Im Zweifel sollte ein Klarstellung/Konkretisierung vorgenommen werden, um späteren Streitigkeiten hierüber zu entgehen.
Stellt der Unternehmer gegenüber seinem Auftraggeber, z.B. in den Fällen des § 13b UStG, eine bloße Netto-Rechnung aus, wäre die vorliegende Regelung bereits so auszulegen gewesen, dass die Vertragsstrafe sich nach der Netto-Auftragssumme bemisst.
Ähnliche Auslegungsschwierigkeiten ergeben sich häufig auch bei der Vereinbarung von Sicherheiten, z.B. Vertragserfüllungssicherheit, Sicherheit für Mängelansprüche.