Mandantenfrage:
Es mag nicht besonders originell sein, aber wir sind als Bauhandwerker oft mit Mängelrügen konfrontiert für Dinge, die unserer Meinung nach nicht von uns zu erledigen sind, weil z.B. Verschleißteile betroffen sind oder der Kunde erforderliche Wartungen nicht hat durchführen lassen oder nachträglich Andere an unserer Leistung Änderungen vorgenommen haben.
Wie sollen wir uns verhalten und welche Grundsätze gelten, wenn solche Mängelrügen innerhalb der 5-jährigen Mängelhaftungsfrist (bzw. der 4-jährigen Mängelhaftungsfrist nach VOB/B) erhoben werden?
Expertenantwort:
Ihre Frage betrifft tatsächlich einen Dauerbrenner im Baurecht und ist durchaus der sorgfältigen Überlegung und Beantwortung wert:
Wie verhält es sich, wenn zumindest der Verdacht besteht, dass aus den von Ihnen genannten Gründen Mängelrechte nicht bestehen, obwohl Mängelsymptome vorliegen und die Mängelhaftungsfrist noch nicht abgelaufen ist?
Alle von Ihnen beschriebenen Umstände betreffen den Grundsatz, dass die Leistung des Unternehmers, also auch Ihre Leistung,
bei Abnahme mangelfrei sein muss. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und ist eine Folge des Gefahrübergangs durch die Abnahme gemäß § 640 BGB bzw. § 12 VOB/B.
Es leuchtet ein, dass der Unternehmer nicht für Umstände haften kann, die nach Abnahme auf seine Leistung einwirken in welcher Form auch immer.
Die Beweislast dafür, dass die Leistung bei Abnahme nicht der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit entsprochen hat, trägt der Auftraggeber.
Nun gibt es Sachverhalte, bei denen völlig unzweifelhaft ist, dass diese bereits bei Abnahme bestanden haben:
Wenn eine Kelleraußenwand wasserführende Risse aufweist, weil zu wenig Bewehrung eingebracht wurde, dann wird wohl niemand ernsthaft behaupten wollen, dass nach der Abnahme jemand gekommen ist, die Betonwand geöffnet hat, Bewehrungsstahl entnommen hat und dann die Wand wieder verschlossen hat.
So verhält es sich mit vielen Bauleistungen und Bauteilen. Anders sieht es bei den von Ihnen genannten Sachverhalten aus:
Fangen wir zunächst mit den „Verschleißteilen“ an:
Dazu gibt es bei der VOB/B die einschlägige Regelung in § 13 Abs. 4; vergleichbares gilt aber auch beim BGB Vertrag, auch wenn nichts vereinbart wurde:
Wenn z.B. es jemand übernommen hat, ein Objekt schlüsselfertig einschließlich Leuchtkörpern und funktionierender Beleuchtung herzustellen und zu übergeben, dann besteht kein Mangel, wenn die Leuchtkörper nach Ablauf ihrer üblichen Lebensdauer ausgetauscht werden müssen.
Es ist also zunächst zu prüfen, ob bestimmte Gegenstände oder Bauteile eine Lebensdauer haben, die unter der Frist für die Mängelhaftung liegt.
Ein weiteres Thema ist die Wartung:
Es gibt tatsächlich viele Teile an Bauwerken, welche ordnungsgemäß gewartet werden müssten, sonst werden sie schneller gebrauchsuntauglich als dies sein müsste.
Schließlich gibt es noch die Fälle, in denen nach Abnahme Dritte irgendwie auf die erbrachte Leistung eingewirkt haben:
Das ist natürlich der Klassiker: Nach Gefahrübergang herbeigeführte Änderungen an der Leistung können keine Mängelhaftung auslösen.
Hierzu gibt es eine instruktive Entscheidung des OLG München, Urteil vom 27.04.2021 – 28 U 7117/19 Bau, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH VII ZR 465/21:
In diesem Fall war es zusammengefasst dargestellt so, dass der Auftragnehmer eine Lüftungsanlage ausgeführt hat. Die Wartung der Anlage wurde dem Auftragnehmer nicht übertragen, wurde also durch andere Unternehmer ausgeführt.
Mehrere Jahre nach der Abnahme moniert der Auftraggeber, dass die Lüftungsanlage fehlerhaft eingestellt worden sei, wodurch ein schädlicher Überdruck entstanden sei.
In diesem Fall hat das OLG München entschieden, dass der Auftraggeber den ihm obliegenden Beweis, dass die von ihm gerügten Erscheinungen bereits bei Abnahme vorgelegen haben, nicht führen konnte, und hat die Klage deshalb abgewiesen.
Ganz wichtig:
Es ist nicht so, dass es einen Rechtssatz gibt, dass die Mängelhaftung endet, wenn Dritte auf die Leistung einwirken.
Es geht alleine um den Tatsachenbeweis: Kann der Auftraggeber beweisen, dass die Leistung bei Abnahme mangelhaft war oder kann er es nicht beweisen?
Und da können spätere Eingriffe Dritter (Wartungsarbeiten durch einen anderen Auftragnehmer) dazu führen, dass eben der erforderliche Beweis des Bestehens des Mangels bei Abnahme nicht geführt werden kann.
Handlungsempfehlung:
Zunächst einmal zeigen diese Fälle wieder einmal auf, wie wichtig eine dokumentierte Abnahme ist:
Es wird ständig in Verträgen förmliche Abnahme hineingeschrieben, aber nicht gemacht.
Das kann im Übrigen auch für die Auftraggeber fatale Folgen im Hinblick auf Mängelsicherheiten haben.
Es liegt im Interesse beider Vertragspartner, dass die Abnahme eindeutig festgestellt und dokumentiert wird.
Für den Unternehmer ist dies besonders wichtig, weil damit nicht nur seine Vergütung fällig wird und die Mängelhaftungsfrist (=Gewährleistungsfrist) beginnt:
Eine weitere Wirkung der Abnahme ist eben die Beweislastumkehr: Nach Abnahme muss der Auftraggeber beweisen, dass eben bei Abnahme ein Mangel vorgelegen hat (was ihm unter Umständen schwer fallen kann, siehe oben).
Wenn ein Papier oder sonst ein Nachweis existiert, dass an einem bestimmten Tag abgenommen wurde, dann ist das Leben für alle sehr viel leichter.
Wenn schon unsicher ist, ob und wenn ja wann und warum und wie abgenommen wurde, können daraus erhebliche Unsicherheiten für beide Vertragsparteien entstehen. Unsicherheiten sollte man vermeiden, wenn es möglich ist.
Ansonsten gilt, dass natürlich jede Mängelrüge, außer sie ist wirklich offensichtlich unsinnig, schnell und sorgfältig geprüft werden muss und wirklich genau nachgesehen werden muss, ob es sich um ein Verschleißteil handelt oder ob Dritte eingewirkt haben oder ob nicht doch die eigene Leistung mangelhaft ist.
Bestehen tatsächlich Mängel und werden diese nicht beseitigt, dann müssen die Mängelbeseitigungskosten getragen oder bevorschusst werden. Der Einwand: Das geht billiger! ist keiner und wird regelmäßig nicht gehört.
Ein Hinweis noch zur Wartung:
Natürlich müssen Sie nachweisen können, dass Sie Ihren Kunden auf das Wartungserfordernis richtig hingewiesen haben und die dafür erforderlichen Unterlagen übergeben haben.
Das Unterlassen solcher Hinweis und Informationen kann entweder einen eigenständigen Sachmangel bedeuten oder eine Haftung wegen Nebenpflichtverletzung auslösen.