Mandantenfrage:
Wir sind ein mittelständisches Unternehmen für die Herstellung und Verlegung von Natursteinen. Bei einer größeren Baumaßnahme hat uns der Auftraggeber einen Baukran zur Verfügung gestellt, mit dessen Hilfe wir in der Lage waren, die Natursteine zum Herstellung einer Fassade an den „richtigen Ort“ zu bringen. Nun stand vor einiger Zeit dieser Kran nicht zur Verfügung, weil eine Person mit Selbstmordabsicht den Kran bestiegen hatte. Unter Einschaltung der Polizei und eines Psychologen war schließlich nach mehreren Tagen möglich, diese Person zur Rückkehr auf die Erde zu bewegen. Für uns stand durch diesen Vorgang die Baustelle für rund eine Woche still. Der Auftraggeber weigert sich, uns für diesen Ausfall eine Entschädigung zu gewähren und beruft sich auf „höhere Gewalt“.
Was können wir tun?
Expertenantwort:
Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihnen für diese Fall nur eine „überschlägige“ Antwort geben können. Hier sind doch eine Reihe von Einzelheiten zu klären, die noch zu besprechen wären.
Sie begründen ihren Anspruch damit, dass der „Krankraxler“ in Ihrem Betrieb für erhebliche Behinderungen mit entsprechenden Kostenfolgen gesorgt hat. Sollte von dieser Person – was zu vermuten ist – „nichts zu holen“ sein, wäre zu prüfen, ob Ihnen Ersatzansprüche gegen Ihren Auftraggeber zustehen.
Ein Schadensersatzanspruch gegen Ihren Auftraggeber ist wohl auszuschließen, weil ein schuldhaftes Verhalten“ des Auftraggebers nach dem bisherigen Sachverhalt nicht zu erkennen ist. Allerdings ist zu prüfen, ob Ihrer Firma ein Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB zusteht (Annahmeverzug des Auftraggebers). Ein schuldhaftes Verhalten ist bei dieser Anspruchsgrundlage nicht notwendig.
Bei der Durchführung einer Baumaßnahme übernimmt jeder Vertragspartner Risiken, deren Eintritt von ihm nicht beeinflussbar sind . Um diese Risiken zuordnen zu können, ist eine „Sphärenabgrenzung“ erforderlich. So gehören zum Beispiel das Witterungsrisiko und die hieraus folgenden Erschwernisse zur „Sphäre“ des Auftragnehmers.
Zur „Sphäre“ des Auftraggebers und seine wichtigste Mitwirkung besteht darin, dem Auftragnehmer ein für seine Leistung „aufnahmebereites“ Baugrundstück zur Verfügung zu stellen, was ihm wegen der oben geschilderten Umstände nicht möglich war.
Handlungsempfehlung:
Es kann daher Sinn machen, von Ihrem Auftraggeber unter dem Gesichtspunkt des § 642 BGB Entschädigungsansprüche für die Ihnen entstandenen Stillstandskosten zu fordern. Ich darf aber dringend empfehlen, vorab den Sachverhalt und die hieraus folgenden Konsequenzen einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, wobei auch zu beachten ist, dass die Berechnung der Entschädigungsansprüche in solchen Fällen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht einfach ist.