1. Rechtsnatur der VOB/B Die VOB/B sind Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Legaldefinition in § 305 Abs. 1 BGB lautet: „Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.“ Diese gesetzliche Definition trifft auf die VOB/B zu, weil das Regelwerk als DIN 1961 (Deutsche Industrienorm) vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen formuliert wurde, in erster Linie zur Verwendung für Bauaufträge der öffentlichen Hand.
In der Praxis hat sich die VOB/B auch für private Bauaufträge durchgesetzt.
2. Einbeziehung in den Vertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen, also auch die VOB/B, werden nicht automatisch Vertragsbestandteil, sondern müssen in den Vertrag einbezogen werden. Grundsatz: Dem Vertragspartner des Verwenders muss in zumutbarer Weise Kenntnis vom Inhalt der VOB/B verschafft werden (§ 305 Abs. 2 BGB). Was zumutbar ist, hängt davon ab, wer die Einbeziehung verlangt (also Verwender ist) und wem gegenüber die Einbeziehung verlangt wird. Verlangt der Auftraggeber dem Auftragnehmer gegenüber die Einbeziehung, gibt es keine Probleme. Vom Bauunternehmer wird erwartet, dass er den Inhalt der VOB/B kennt.
Ein solches Einbeziehungs-Verlangen des Auftraggebers liegt i.d.R. vor, wenn die vom Auftraggeber vorformulierten Ausschreibungsunterlagen (Vorbemerkungen zum LV, Vertragsformular) die Geltung der VOB/B vorsehen. Das Gleiche gilt, wenn beide Vertragsparteien die Einbeziehung der VOB/B verlangen. Verlangt der Auftragnehmer die Einbeziehung der VOB/B (etwa durch Formulierung seines Angebotes oder des Bauvertrages), ist zu unterscheiden: – Der Auftraggeber seinerseits ist „Baufachmann“: Keine Probleme, die Kenntnis des VOB/B-Inhalts wird unterstellt. – Der Auftraggeber ist „Privatmann“: Es ist zu unterscheiden: – Er wird bei den Vertragsverhandlungen von einem Architekten oder Projektsteuerer beraten und/oder vertreten: Keine Probleme, die Kenntnis der Berater über den VOB-Inhalt wird dem Auftraggeber zugerechnet (entsprechend § 166 BGB).
Aber Vorsicht: Die Vertretung oder Beratung des Architekten muss sich auf den Vertragsschluss selbst beziehen, ein allgemeiner Planungs- oder Bauleitungsauftrag reicht nicht aus (OLG Brandenburg, IBR 2008, S. 253). – Er führt die Vertragsverhandlungen ohne fachkundige Berater: Der vollständige Text der VOB/B ist ihm vor Vertragsschluss auszuhändigen. Die Beweislast dafür trägt der Auftragnehmer. Diese Grundsätze sind in folgendem Prüfungsschema zusammengefasst: „Prüfungsschema wirksame Einbeziehung der VOB/B“.
3. Folgen vorrangiger abweichender Vertragsbeziehungen: Der Leitsatz der Entscheidung des BGH in IBR 2004, S. 179 lautet: „Jede vertragliche Abweichung von der VOB/B führt dazu, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist. Es kommt nicht darauf an, welches (BGH IBR 2004, 179) Gewicht der Eingriff hat.“ Als Allgemeine Geschäftsbedingungen wären die Vertragsklauseln der VOB/B am Maßstab der §§305 – 310 BGB auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aber sind die Regelungen der VOB/B in sich ausgewogen und können daher eine Vertragspartei nicht unangemessen benachteiligen (z.B. BGH IBR 1996, 183). Sie sind daher der Wirksamkeitskontrolle des AGB-Rechts entzogen. Das gilt aber nur, wenn die VOB/B unverändert vereinbart ist, also nicht durch vorrangige Vertragsbestimmungen in das Regelungsgefüge der VOB/B eingegriffen wird, wie das in der Praxis fast immer der Fall ist (z.B. Ausschluss der Abnahmefiktionen des § 12 Nr. 5 VOB/B). Dann sind sämtliche Klauseln der VOB/B auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.
An die Stelle dieser unwirksamen Klauseln treten die für den Verwender ungünstigeren gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 2 BGB). Diese Rechtsprechung des BGH hat der Gesetzgeber mit dem Forderungssicherungsgesetz, welches für ab dem 02.01.2009 abgeschlossene Verträge gilt, umgesetzt (§ 310 Abs. 1 letzter Satz BGB n.F.). Ist der Auftraggeber Verwender, spielt die Unwirksamkeits-prüfung von Klauseln, die für den Auftragnehmer günstig sind, keine Rolle, weil sich der Verwender auf Verstöße gegen das AGB-Recht grundsätzlich nicht berufen kann.
4. Vereinbarung der VOB/B gegenüber Verbrauchern Verbraucher sind natürliche Personen, die ein Rechtsgeschäft abschließen, welches weder ihrer gewerblichen noch selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (§ 13 BGB). Verbraucher ist also auch der (Bau-)Unternehmer, der nicht für seinen Betrieb, sondern privat baut!
In der Literatur wurde unter Bezugnahme auf die Verbraucherschutzrichtlinie der EU Nr. 93/13 EWG z.T. bezweifelt, dass der zum Teil im Gesetz angelegte Schutz der VOB/B vor der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle rechtswirksam ist (vgl. Gutachten der Verbraucherzentrale vom April 2004, abrufbar in IBR-Online, Materialien einerseits, Ingenstau-Korbion, 15. Aufl., Anhang 1 RdNr. 103 andererseits).
Dieser Streit ist hat der Gesetzgeber mit dem Forderungssicherungsgesetz zugunsten des Verbrauchers entschieden. Das ergibt sich aus der komplizierten Formulierung des § 310 Abs. 1 letzter Satz BGB n.F.: Danach findet die Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 und 2 BGB auf VOB-Verträge nur in den Fällen des Satzes 1 keine Anwendung. Der Satz 1 des § 310 BGB betrifft Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber Unternehmern verwendet werden. Damit bleibt es im Umkehrschluss bei Verträgen mit Verbrauchern bei der Inhaltskontrolle nach § 307 Absätze 1 und 2 BGB.
Welche Klauseln bei isolierter Betrachtung unwirksam sind, hängt davon ab, ob der AG oder ob der AN Verwender der VOB/B und ob – bei Verwendung durch den AG – diese gegenüber Verbrauchern oder gegenüber Nicht-Verbrauchern verwendet werden. Ich erinnere daran: Ist am Vertragsschluss kein Verbraucher beteiligt, ist die Wirksamkeits-prüfung dennoch geboten, wenn im Vertrag vorrangige Abweichungen von der VOB/B vereinbart sind. Diese Grundsätze sind in dem nachfolgenden Prüfungsschema zusammengefasst.
Der darin wiedergegebene Katalog der (wohl) unwirksamen Klauseln beruht auf dem aktuellen Stand der Rechtsprechung und Literatur und kann sich selbstverständlich mit der weiteren Rechtsfortbildung ändern (Nachweise bei Hofmann / Koppmann, Die neue Bauhandwerkersicherung, VOB-Verlag Vögel, 5. Auflage 2009, S. 39 und 44). „Prüfungsschema unwirksame Klauseln“ München, 22.10.2009.