Mandantenfrage:
Wir sind ein führendes Natursteinunternehmen. Im vergangenen Jahr haben wir für den öffentlichen Auftraggeber ein Angebot abgegeben und müssen nun feststellen, dass es aufgrund der derzeitigen Kriegsereignisse in der Ukraine sowohl bei den Baustoffen als auch bei der Energie zu ganz erheblichen Mehrkosten kommt, die durch unsere im letzten Jahr kalkulierte Preise in keiner Weise abgedeckt sind. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass wir durch Lieferengpässe zeitliche Verzögerungen bei der Baudurchführung in Kauf nehmen müssen. Wir bitten um Mitteilung, ob hier sowohl in zeitlicher als auch in preislicher Hinsicht eine Änderung unseres Vertrags gerechtfertigt ist.
Expertenantwort:
Das Bundesbauministerium hat hierzu mit einem Erlass vom 25.03.2022 (BW 17-704317/9) aufgezeigt, wie sich diese Situation unter anderem auf laufende Verträge auswirken kann.
Verlängerte Bauzeit
Sind als Folge des Ukraine-Kriegs Baumaterialien „nicht oder vorübergehend nicht… zu beschaffen, so wird dies als ein Fall der „höheren Gewalt“ behandelt, mit der Folge, dass sich die Ausführungsfrist um die Dauer der Nichtlieferbarkeit der Stoffe „zuzüglich eines angemessenen Aufschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten“ verlängert (§ 6 Abs. 4 VOB/B).
Erhöhte Vergütung
Fehlt im Vertrag eine entsprechende Stoffpreisgleitklausel, kommt dennoch in Betracht, dass sich der vertraglich vereinbarte Preis wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) ändern kann. Nach der – nicht einheitlichen – einschlägigen baurechtlichen Literatur kommt danach eine Preisanpassung in Betracht, wenn durch die genannten Ereignisse Kostensteigerungen zwischen 20 und 25 %, teilweise auch bereits 15 % eintreten. Maßgeblich ist hier nicht die einzelnen Position, sondern es ist auf die Gesamtbetrachtung des Vertrags abzustellen.
Handlungsempfehlung:
Sofern noch nicht geschehen, sollten Sie dem Auftraggeber umgehend eine „Behinderungsanzeige“ schicken (§ 6 Abs. 1 VOB/B). In Sachen „Preisanpassung wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ ist Ihnen zu raten, einen in Bausachen qualifizierten Anwalt einzuschalten, zumal es hier um doch zum Teil schwierige Rechtsfragen geht.