Die Bayerische Staatsregierung hat ein Maßnahmepaket beschlossen, mit dem öffentliche Auftraggeber in Bayern bei Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte mehr Flexibilität erhalten sollen.
Vorausgegangen waren Forderungen der bayerischen Kommunen, sie vollständig aus der Bindung an die VOB/A zu entlassen. Nach massiven Protesten der Bauwirtschaft gegen diese Pläne kam es bereits im Sommer 2004 zu Gesprächen zwischen Wirtschaft und Kommunen unter der Leitung von Staatsminister Dr. Wiesheu. Dabei wurde folgender, nunmehr vom Kabinett beschlossener, Kompromiss vereinbart:
1. Kommunen bleiben an die VOB/A gebunden
Die Kommunen in Bayern sind auch bei der Vergabe von Bauverträgen mit einem Gesamtauftragswert von weniger als 5 Mio. Euro an die VOB/A gebunden.
2. Anhebung der Wertgrenzen für Beschränkte Ausschreibungen
Kommunale Auftraggeber können zukünftig ohne weitere Begründung beschränkt ausschreiben, wenn folgende Auftragswertgrenzen nicht überschritten werden:
- 300.000,00 € im Tiefbau
- 150.000,00 € im Hochbau/Rohbau für Erd-, Beton- und Maurerarbeiten mit und ohne Putzarbeiten
- 75.000,00 € bei Ausbaugewerken im Hochbau, Pflanzungen, Straßenausstattung.
Das Bayerische Baugewerbe hatte seit Jahren eine Anhebung der Wertgrenzen gefordert, da auch bei relativ kleinen Auftragswerten häufig die öffentliche Ausschreibung gewählt werden muss mit der Konsequenz, dass die beteiligten Bieter mit hohen Kalkulationskosten belastet sind, andererseits aber wegen der hohen Teilnehmerzahl nur eine geringe Zuschlagschance besteht.
Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, werden den Kommunen folgende Maßnahmen bei Beschränkten Ausschreibungen empfohlen:
- Erkundigung des regionalen Markts durch formlose Information der Fachöffentlichkeit über größere Bauvorhaben in regionalen Tageszeitungen und anderen geeigneten Medien und Aufforderung an Baufirmen, ihr Interesse an einer Beteiligung zu bekunden,
- Aufforderung von mindestens 3 – 8 Bewerbern, abhängig von Marktsituation und Auftragswert,
- ausreichende Streuung der aufgeforderten Bewerber (i. d. R. 1 – 2 aus anderen Gemeinden bzw. aus anderen Landkreisen),
- organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Manipulation und Korruption (organisatorische Maßnahmen im Sinne der Korruptionsbekämpfung).
3. Anhebung der Wertgrenze für Freihändige Vergaben
Freihändige Vergaben dürfen ohne Begründung bis zu einem Auftragswert von 30.000,00 € durchgeführt werden.
4. Einräumung eines pauschalierten Spielraums bei der Wertung von Angeboten (Wertungspauschale)
Dem öffentlichen Auftraggeber wird ein pauschalierter Wertungsspielraum i. H. v.
- 1 % im Bereich Tiefbau,
- 2 % im Bereich Hochbau/Rohbau für Erd-, Beton- und Maurerarbeiten mit und ohne Putzarbeiten
- 3 % Ausbaugewerke im Hochbau, Pflanzungen, Straßenausstattung
eingeräumt. Um von dieser „Wertungspauschale“ Gebrauch machen zu können, muss der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen zusätzliche Wertungskriterien, die mit der Leistung im sachlichen Zusammenhang stehen und aus der Sicht des Auftraggebers für den wirtschaftlichen Wert der Leistung relevant sein müssen (z. B. Qualität der Leistungen, die in überschaubarem Zeitraum erbracht wurden, Erreichbarkeit, Abwicklungs- und Begleitkosten beim Auftraggeber, organisatorische Leistungsfähigkeit) sowie die konkrete Höhe der Pauschale benennen.
Er kann dann im Rahmen der Wertung die einzelnen, neben dem Preis vorgesehenen Kriterien zusammenfassen und pauschalieren. Hierdurch spart sich der Auftraggeber den Aufwand, der sonst erforderlich wäre, um die zusätzlichen, nicht-monetären Faktoren zu bewerten und in eine mit dem Preis vergleichbare Form zu bringen.
Der vorstehende Kompromiss soll durch eine Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern baldmöglichst umgesetzt werden. Die neuen Wertgrenzen für Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben gelten bereits ab 01.01.2005. Bei Aufträgen oberhalb des EU-Schwellenwerts (Gesamtauftragswerte von 5 Mio. Euro und mehr) bleibt es bei den bisherigen Regelungen.