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Behinderung durch Vorunternehmer: Welche Mehrkosten kann der Nachfolgeunternehmer vom Auftraggeber verlangen?

Das Problem:

Behinderungen bei der Bauvertragsabwicklung verursachen in der Regel Mehrkosten. Will der Auftragnehmer solche Mehrkosten gegenüber dem Auftraggeber geltend machen, kommen – je nach den Umständen des Einzelfalls – unterschiedliche Anspruchsgrundlagen in Betracht.

Fall:
Die Leistung des Natursteinunternehmers verzögert sich, weil der Rohbauunternehmer insolvent wird. Weil er nicht „nahtlos“ einen Ersatzauftrag hereinnehmen kann, entstehen ihm erhebliche Ausfallzeiten und damit Mehrkosten zum Beispiel im Lohnbereich. Diese Mehrkosten macht er nun gegenüber dem Auftraggeber  geltend, weil er aufgrund unterbliebener Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers nicht in der Lage sei, seine Leistung innerhalb der vereinbarten Vertragsfristen zu erbringen.

1. Kann der Auftragnehmer von seinem Auftraggeber die behinderungsbedingten Mehrkosten ersetzt verlangen?

2. Wenn ja: Welche Mehrkosten kann er geltend machen?

Die Entscheidung:

Der BGH hat hierzu mit Urteil vom 26.10.2017 – Baurechts-Report 12/2017, Seite 45 – folgendes ausgeführt:

1.1. Schadensersatzansprüche wegen Behinderung kann der Auftragnehmer nur geltend machen, wenn der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer schuldhaft – also zumindest fahrlässig – gehandelt hat (vgl. §§ 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B; 280,286 BGB). Hier wurde die Behinderung durch die Insolvenz des Vorunternehmers verursacht. Für dessen schuldhaftes Verhalten haftet der Auftraggeber grundsätzlich nicht, weil dieser nach der Rechtsprechung des BGH*grundsätzlich nicht sein „Erfüllungsgehilfe“ ist (§§ 276,278 BGB).

1.2. Dem Auftragnehmer steht jedoch ein Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB zu. Ein solcher Anspruch ist gegeben, wenn der Auftraggeber ihm obliegende Mitwirkungshandlungen – auch schuldlos – unterlässt und damit den Auftragnehmer außer Stande setzt, zu den vertraglich vereinbarten Terminen weiterbauen zu können. Dies ist hier geschehen. Das Bauwerk stand dem AN zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt nicht zur Verfügung.

2. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bestimmt sich nach der Dauer des Verzugs. Dem Auftragnehmer sollen die Mehrkosten ersetzt werden, die er ohne den Annahmeverzug nicht hätte. Ihm sollen also die Nachteile einschließlich Wagnis, Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten ersetzt werden, die ihm bis zum Ende des Annahmeverzugs entstehen. Nicht ersatzfähig sind allerdings solche Mehrkosten, etwa im Lohn-und Materialbereich, die erst bei Ausführung der verschobenen Werkleistung anfallen.

Hinweise für die Praxis:

*Mit diesem Urteil zur Höhe des Entschädigungsanspruchs entscheidet der BGH eine bisher umstrittene Rechtsfrage.

*Der Entschädigungsanspruch des Auftragnehmers setzt voraus, dass er bei Eintritt des Annahmeverzugs auch bereit und im Stande ist seine Leistung zu erbringen. Außerdem muss er diese Leistung dem Auftraggeber nochmals anbieten (§§ 294-297 BGB). Haben die Vertragsparteien die VOB/B vereinbart ist weiterhin notwendig, dass der Auftragnehmer bei Eintritt der Behinderung eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige erstattet (§ 6 Abs. 1, Abs. 6 Satz 2VOB/B).

Rechtsanwalt Dr. Olaf Hofmann, Lehrbeauftragter für Baurecht, München
*Siehe BGH vom 27.06.85; Baurechts-Report 10,85, Seite 1

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