Mandantenfrage:
Wir sind ein mittelständisches Bauunternehmen. Zur Zeit haben wir eine „Überkonjunktur“.
Bei einer Baumaßnahme (Vertragsgrundlage ist die VOB) wurden wir vom Auftraggeber dadurch behindert, dass uns Teile der Ausführungsplanung nicht rechtzeitig übermittelt wurden. Wir haben diesbezüglich Behinderung angemeldet. Die Ausführungsfrist wurde infolgedessen auch verlängert, wobei die neue Ausführungsfrist nach den Grundsätzen des § 6 Abs. 4 VOB/B berechnet wurde. Insgesamt verlängert sich hierdurch die Bauzeit um 22 Werktage.
Nun hat uns der Auftraggeber aufgefordert, diesen Zeitverlust wieder aufzuholen, sodass es bei der ursprünglichen Vertragsfrist bleibt. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten ist er bereit zu übernehmen. Wir können aber aufgrund völlige Überlastung dieser Forderung nicht nachkommen. Ist der Auftraggeber in einem VOB-Vertrag berechtigt, dies einseitig anordnen zu können?
Expertenantwort:
Zu der von Ihnen gestellten Frage fehlt noch eine höchstrichterliche Entscheidung. In der baurechtlichen Literatur ist umstritten, ob und – gegebenenfalls – in welchem Umfang dem Auftraggeber ein solches Anordnungsrecht zusteht. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass der Auftraggeber nicht das Recht hat, die Bauzeit einseitig zu ändern. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 VOB/B würden nämlich Änderungen in bauzeitlicher Hinsicht vom Änderungsrecht des Auftraggebers nicht erfasst. Eine andere Meinung vertritt den Standpunkt, dass dem Auftraggeber ein solches Änderungsrecht im „zumutbaren Rahmen“ zusteht.
Bei der Prüfung des Einzelfalls ist unseres Erachtens auch zu berücksichtigen, ob im Bauzeitenplan etwaige „Zeitpuffer“ eingebaut wurden, wer für die Verzögerungen im Bauablauf verantwortlich ist, ob Anschlussaufträge mit verbindlichen Fristen vorhanden sind usw.
Handlungsempfehlung:
Insbesondere dann, wenn – wie hier – die Behinderung durch den Auftraggeber verursacht und die Bauzeit hierdurch doch erheblich verlängert wurde, wird man unseres Erachtens dem Auftraggeber ein solches einseitiges Anordnungsrecht zur Verkürzung der Bauzeit nicht einräumen können, erst recht dann, wenn Sie Anschlussaufträge mit verbindlichen Fristen haben und Gefahr laufen, dort mit Vertragsstrafeansprüchen konfrontiert zu werden, wenn Sie nicht pünktlich fertig werden.
Natürlich bleibt Ihnen immer unbenommen, mit dem Auftraggeber eine Vereinbarung zu schließen mit dem Ziel, die verlorene Zeit wieder wenigstens zum Teil „einzuholen“. Die Ihnen hierdurch entstehenden Mehrkosten (z.B. Überstunden) wären nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 5 VOB/B – Vertragsänderung – abzurechnen.