1. Einleitung
Der BGH hat mit Urteil vom 19.01.2017 (Aktenzeichen VII ZR 301/13 = BGH IBRRS 2017, 0624 = BGH BeckRS 2017, 101777) die Frage geklärt, ob der Besteller im Rahmen einer BGB-Werkvertragsbeziehung Mängelrechte – insbesondere den Anspruch auf Kostenvorschuss – geltend machen kann, obwohl das „Werk“ noch nicht abgenommen wurde. Nun hat der BGH klargestellt: Im Rahmen eines BGB-Werkvertrages kann der Besteller gegenüber dem Unternehmer Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen.
2. Sachverhalt
In dem Fall – in dem auch erbrechtliche Fragestellungen eine Rolle spielten – beauftragte der (später verstorbene) Besteller den beklagten Unternehmer im Jahre 2008 mit der Erneuerung der Fassaden an zwei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden. Das zu verwendende Mörtelmaterial und das Anstrichsystem waren hierbei vertraglich genau spezifiziert gewesen.
Der Beklagte führte anschließend auch Arbeiten aus. Eine Abnahme der Arbeiten erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 04.09.2009 rügte der Besteller Mängel an den Objekten und setzte eine Frist zur Mangelbeseitigung bis 30.09.2009. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.10.2009 teilte der Beklagte dem Besteller mit, dass nach Einschaltung eines Privatsachverständigen eine Mangelhaftigkeit der ausgeführten Arbeiten nicht festzustellen sei.
Im November 2009 leitete der Besteller sodann ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Fassaden nicht mit dem vereinbarten Material gestrichen worden waren. Das tatsächlich verwendete Material weiche qualitativ nachteilig von dem vereinbarten Material ab. Die Sanierungskosten schätzte der Sachverständige auf 28.917 Euro brutto.
Der Kläger machte (als Rechtsnachfolger des verstorbenen Bestellers) mit seiner Klage unter anderem Mangelbeseitigungskosten „als Kostenvorschuss“ geltend. Zur Begründung hat sich der Kläger auf die Erkenntnisse des selbständigen Beweisverfahrens bezogen.
Besonders umstritten war in der gerichtlichen Auseinandersetzung, ob derartige Kostenvorschussansprüche zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keine Abnahme des Werks erklärt worden ist, überhaupt geltend gemacht werden können.
3. Entscheidung des BGH
Diese Frage hat der BGH nun geklärt: Ein Anspruch auf Vorschuss aus § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB besteht grundsätzlich nicht bereits vor Abnahme des Werks. Ohne Abnahme könne ein derartiger Anspruch nur unter ganz besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise geltend gemacht werden (die hier zunächst nicht thematisiert werden sollen).
Das Gericht stützt seine Auffassung auf folgende Erwägungen:
Ob ein Werk „mangelfrei“ sei, beurteile sich grundsätzlich im Zeitpunkt der Abnahme. Bis zur Abnahme könne der Unternehmer daher im Kern frei wählen, wie er den Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung aus § 631 Abs. 1 BGB erfülle. Würde der Besteller bereits während der Herstellungsphase Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen können, würde dies mit einem Eingriff in dieses Recht des Unternehmers verbunden sein.
(…)
Bereits der Begriff „Nacherfüllung“ in § 634 Nr. 1, § 635 BGB spreche außerdem dafür, dass die Rechte aus § 634 BGB erst nach der Herstellung zum Tragen kommen sollten. Die „Erfüllung“ des Herstellungsanspruchs aus § 631 Abs. 1 BGB trete bei einer Werkleistung regelmäßig mit der Abnahme ein (§ 640 Abs. 1 BGB), so dass erst nach Abnahme von „Nacherfüllung“ gesprochen werden könne. (…) Herstellungsanspruch und Nacherfüllungsanspruch könnten daher nicht nebeneinander bestehen.
Dafür, dass die „Abnahme“ die entscheidende Zäsur zwischen Erfüllungsstadium und der Phase darstelle, in der – anstelle des Herstellungsanspruchs – dann „Mängelrechte“ nach § 634 BGB geltend gemacht werden könnten, spreche auch die Regelung in § 634a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB, wonach die Verjährung von Mängelrechten in den meisten Fällen mit der Abnahme beginne.
Ferner stelle die Abnahme auch im Übrigen eine Zäsur dar, da mit ihr
- die Fälligkeit des Werklohns eintrete (§ 641 Abs. 1 BGB),
- die Leistungsgefahr auf den Besteller übergehe (§ 644 Abs. 1 Satz 1 BGB)
- und sich die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln umkehre, soweit kein Vorbehalt nach § 640 Abs. 2 BGB erklärt werde.
Die Auslegung der werkvertraglichen Vorschriften dahingehend, dass dem Besteller die Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme zustünden, führe zudem auch zu einem interessengerechten Ergebnis:
Vor der Abnahme stehe dem Besteller der Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 BGB zu, der ebenso wie der Anspruch auf Nacherfüllung aus § 634 Nr. 1 BGB die mangelfreie Herstellung des Werks zum Ziel habe. Der Besteller könne diesen Anspruch einklagen und, falls notwendig, im Regelfall nach § 887 ZPO vollstrecken.
Die Gefahr des zufälligen Untergangs des Werks verbleibe beim Unternehmer, der Werklohn werde nicht fällig und die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln gehe nicht auf den Besteller über, solange er den Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 BGB geltend mache.
Die Interessen des Bestellers seien ferner durch die ihm vor der Abnahme aufgrund des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zustehenden Rechte angemessen gewahrt. So könne der Besteller in der Erfüllungsphase der Vertragsbeziehung etwa
- Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB,
- Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281, 280 BGB,
- Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung, § 280 Abs. 2, § 286 BGB verlangen und
- den Rücktritt nach § 323 BGB oder
- die Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 314 BGB erklären.
Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 1 BGB sei zwar, anders als die Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 und 3 BGB, verschuldensabhängig (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine den Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzung liege aber auch vor, wenn der Unternehmer die Frist aus § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB verstreichen lasse.
Der Besteller habe hiernach die Wahl, ob er die Rechte aus dem Erfüllungsstadium oder aber die grundsätzlich eine Abnahme voraussetzenden Mängelrechte aus § 634 BGB geltend mache. Ein „faktischer Zwang“ des Bestellers zur Erklärung der Abnahme für ein objektiv nicht abnahmefähiges Werk bestehe aber – entgegen verbreiteter Meinung – aus Sicht des BGH nicht. Im Übrigen werde der Besteller, der eine Abnahme unter Mängelvorbehalt erkläre, über §§ 640 Abs. 2, 641 Abs. 3 BGB geschützt.
Aus all dem folge, dass der Besteller eines BGB-Werkvertrages Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen könne.
4. Bedeutung
Die ausdrückliche Klarstellung des BGH, dass Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich die Abnahme voraussetzen, ist zu begrüßen. Gerade mit Blick auf die eigenständige Mangelbeseitigung durch den Besteller des Werks dürfte die Entscheidung für Klarheit sorgen: Der Anspruch auf Kostenvorschuss für eine Selbstvornahme der Mangelbeseitigung setzt grundsätzlich die Abnahme des Werks voraus.
Es gilt damit (weiterhin): Nach Abnahme des Werks hat der Unternehmer bei Mangelhaftigkeit desselben das „Recht zur zweiten Andienung“, muss – und darf – also den Versuch unternehmen, nachzuerfüllen. Wenn dies nicht zum Erfolg führt, ist der Besteller berechtigt, selbst die Nacherfüllung zu übernehmen. Dann hat er einen Anspruch, die dafür erforderlichen Kosten vom Unternehmer „vorgestreckt“ zu bekommen.
Im Erfüllungsstadium der werkvertraglichen Beziehung (also vor der Abnahme) steht der Besteller aber nicht schutzlos dar. Vielmehr kann er im Rahmen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts etwa Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Anspruch auf Kostenvorschuss für eine Selbstvornahme der Mangelbeseitigung die Abnahme des Werks voraussetzt, besteht nach BGH nur ganz ausnahmsweise unter spezifischen Voraussetzungen. Diese sollen hier zunächst nicht näher erläutert werden. Es bleibt insoweit abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zur vom BGH aufgeworfenen „Ausnahmekonstellation“ weiterentwickeln wird.
Wenigstens mit Blick auf den „Grundsatz“ ist jetzt vom BGH aber Klarheit geschaffen worden.
Dr. Carsten Albers
Rechtsanwalt