Sachverhalt / Entscheidung
Mit Entscheidung vom 08.12.2016 (12 U 192/15 = BeckRS 2016, 110509) hat das OLG Brandenburg erneut zu einem Klassiker des Baurechts ausgeführt: Wie ist mit Nachtragsansprüchen des Auftragnehmers umzugehen, die nicht vom Auftraggeber selbst, sondern von dessen Architekten beauftragt worden sind?
In dem Fall ging es im Kern um die Stellung einer § 648a BGB-Bürgschaft. Der Auftragnehmer hatte auf die Stellung einer derartigen Sicherheit geklagt.
Für einen Anspruch auf Sicherungsleistung im Sinne des § 648a BGB ist erforderlich, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht, den er schlüssig darlegen muss. Im Rahmen der Prüfung, ob und inwieweit dem klagenden Auftragnehmer ein solcher sicherungsfähiger Vergütungsanspruch zustand, hat das Gericht u.a. zu einem Nachtrag des Auftragnehmers Stellung genommen, der allerdings nicht durch den Auftraggeber selbst, sondern durch dessen Architekten ausgelöst bzw. beauftragt worden war. In Ziffer 4.4. des zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer geschlossenen Bauvertrages war indes niedergelegt gewesen, dass der Architekt nicht berechtigt ist, Stundenlohnarbeiten oder Nachträge zu beauftragen.
Nach Auffassung des Gerichts hat nicht festgestellt werden können, dass der Architekt zur Vergabe eines entsprechenden Nachtrages bevollmächtigt war. Insoweit enthalte die Ziffer 4.4. des zwischen AG und AN geschlossenen Bauvertrages die (…) „eindeutige Bestimmung“, dass der Architekt nicht berechtigt sei, Stundenlohnarbeiten oder Nachträge zu beauftragen. Ein Widerspruch zu vorstehenden Regelungen des Bauvertrages, wonach der Architekt als Vertreter des Auftraggebers „in allen Angelegenheiten“ benannt werde, liege nicht vor.
Die Regelung der Ziff. 4.4 des Bauvertrages entspreche der allgemeinen Handhabung, dass der Architekt nicht bereits kraft seiner Bestellung uneingeschränkt bevollmächtigt sei, den Auftraggeber beim Abschluss von Verträgen zu vertreten oder rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben, die dem Bauherrn erhebliche Verpflichtungen auferlegten (…). Die Problematik, inwieweit der Architekt möglicherweise bevollmächtigt sei, geringfügige Zusatzaufträge zu erteilen (vgl. dazu BGH BauR 1978, 314, 316), habe sich im Streitfall nicht gestellt, da die Vollmacht des Architekten für jedwede Erteilung von Zusatzaufträgen im Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen worden sei.
Aus diesem Grunde komme auch die Annahme einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht des Architekten nicht in Betracht, da der Klägerin aufgrund des Bauvertrages positiv bekannt gewesen sei, dass der Architekt keine Vollmacht zur Vergabe von Nachtragsaufträgen gehabt habe – so dass sie insoweit auch nicht gesondert schutzwürdig gewesen sei.
Folgerungen für die Praxis
Die skizzierten Ausführungen des OLG Brandenburgs zur „Vertretereigenschaft“ des Architekten sind dazu geeignet, sensibilisierend auf das Problem der Beauftragung von Zusatzleistungen durch Architekten hinzuweisen:
Im konkreten Fall hat der klagende Auftragnehmer zwar letztendlich doch einen Anspruch auf Zusatzvergütung nach Maßgabe des § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B schlüssig machen können, weil der Auftraggeber die ausgeführten Leistungen im Nachhinein genehmigt hatte. Daher war die Klage auf Stellung der Sicherheit nach § 648a BGB überwiegend begründet.
Ein Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 oder Abs. 6 VOB/B ist durch das Gericht allerdings – nachvollziehbar – abgelehnt worden. Für einen solchen Mehrvergütungsanspruch ist erforderlich, dass die geänderte oder zusätzliche Leistung auf einer vorherigen Anordnung bzw. auf einem Verlangen des Auftraggebers (oder eben auf einem Verlangen eines vom Auftraggeber bevollmächtigten Vertreters) basiert.
Soweit der Architekt – wie hier – zum Abschluss von Zusatzaufträgen im Sinne der §§ 2 Abs. 5, Abs. 6 VOB/B dann nicht bevollmächtigt ist, agiert er als „Vertreter ohne Vertretungsmacht“. Aus der einschlägigen Vorschrift des BGB (§ 179 Abs. 1) folgt in derartigen Fällen an sich dann:
Schließt der Architekt als „Vertreter ohne Vertretungsmacht“ einen Vertrag (hier als „Nachtrag“), ist er dem anderen Teil – hier dem Auftragnehmer – nach dessen Wahl entweder zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene (hier: der Auftraggeber) die Genehmigung (des Nachtrags) verweigert.
Allerdings gilt auch: Der Vertreter ohne Vertretungsmacht haftet dann nicht, wenn „der andere Teil“ (hier der Auftragnehmer) den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste (§ 179 Abs. 3 BGB).
Im Bauvertragsrecht wird man davon ausgehen müssen, dass einem Bauunternehmen grundsätzlich bekannt sein dürfte, dass ein Architekt ohne ausdrückliche Vollmacht nicht dazu befugt ist, für den Auftraggeber Zusatz- oder Änderungsaufträge zu vergeben, die zu einer fühlbaren Kostensteigerung führen. Dies hatte bereits das OLG Celle (Urteil vom 06.12.1995 – 6 U 250/94 = IBR 1996, 458) entschieden.
§ 179 Abs. 3 BGB kann für den Auftragnehmer damit dramatische Folgen zeitigen:
- Der Architekt als „Vertreter ohne Vertretungsmacht“ kann von ihm (dem Auftragnehmer) nicht gemäß § 179 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden.
- Daneben bekommt der Auftragnehmer vom Auftraggeber keine Vergütung nach §§ 2 Abs. 5, Abs. 6 VOB/B), weil dieser nun einmal keinen (wirksamen) Nachtragsauftrag erteilt hat.
- Wenn der Auftraggeber also die Leistung nicht im Nachhinein (ggf. durch schlüssiges Verhalten) noch genehmigt, bekommt der Auftragnehmer: Nichts!
Soweit also Zusatzaufträge durch den Architekten erteilt werden, bleibt dem Auftragnehmer nur – und ausdrücklich – zu raten, diese Zusatzbeauftragungen mit dem Auftraggeber abzustimmen und von diesem eine entsprechende Zustimmung vor Ausführung einzuholen (in diese Richtung dürfte auch der IBR-Werkstattbeitrag des Kollegen RA Bolz vom 18.01.2017 zu verstehen sein, der sich ebenfalls mit dem vorstehenden Urteil befasst – Bolz, IBR 2017, 2242).
Dr. Carsten Albers
Rechtsanwalt