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Die Mär von verdeckten Mängeln am Bau

Die Mär von „verstreckten Mängeln“ wird von Generation zu Generation am Bau weitergegeben. Mit der Wiederholung wird dieses Märchen aber nicht wahr.

Weder BGB- noch VOB-Werkvertragsrecht kennen den verdeckten Mangel, der zu einer verlängerten Verjährungsfrist für Mängelansprüche führen soll. Grundsätzlich gilt: Mängelansprüche beim BGB-Werkvertrag verjähren in 5 Jahren und beim VOB-Bauvertrag in 4 Jahren, jeweils gerechnet ab Abnahme der Leistung. Ausnahmen gelten nur dann, wenn ein Mangel arglistig verschwiegen wurde oder die Grundsätze des Organisationsverschuldens greifen.

Eine Chance hat der Bauherr grundsätzlich noch, wenn es an einer Abnahme fehlt oder diese zumindest auftragnehmerseits nicht bewiesen werden kann. Jüngere Entscheidung des BGH und darauf beruhende obergerichtliche Entscheidungen sprechen dafür, dass, solange das Werk nicht abgenommen ist, auch diese 5- bzw. 4-jährige Verjährungsfrist – zumindest für die oftmals praxisrelevanten Schadensersatzansprüche wegen Mängeln des Architektenwerks – nicht zu laufen beginnt (vgl. hierzu auch Müller, Verjährung von Ansprüchen wegen Mängeln beim Werkvertrag ohne Abnahme, Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht, 2015, Seite 337 ff.). Das bedeutet, dass oftmals auch nach Ablauf der 4 bzw. 5 Jahre noch Mängelansprüche erfolgreich durchgesetzt werden können. Denn nur sehr enge Ausnahmefälle rechtfertigen es, die Verjährungsfrist für die Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers auch ohne Abnahme beginnen zu lassen. Ein solcher Ausnahmefall liegt – insbesondere bei den regelmäßig von Versicherungen gedeckten Ansprüchen gegenüber dem Architekten – nicht schon dann vor, wenn die Architekten die Leistungsphase 9 der HOAI (Objektbetreuung, also z. B. Überwachung von Gewährleistungsmängeln) am Ende im Sand verlaufen lässt. Dann ist er nämlich nicht schutzwürdig.

Für die Architekten bedeutet das umgekehrt: Das Damoklesschwert der Haftung schwebt so lange über Ihnen, solange sie es nicht selbst abhängen. Das können Sie z. B., indem Sie die Abnahme ihrer Leistung nachweislich herbeiführen bzw. den Bauherren zur Abnahme seiner Leistung am Ende der Leistungsphase 9 auch noch einmal ausdrücklich auffordern. Das ist ohne weiteres möglich, zumutbar und aus juristischer Sicht dringend zu empfehlen.

Gleichzeitig ist in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinzuweisen: Auch der Auftraggeber kann sich nicht in Sicherheit wähnen, wenn der Architekt es unterlässt, seine Honoraransprüche mittels Schlussrechnung abzurechnen. So hat das OLG München aktuell entschieden (Urteil vom 24.03.2015 – 9 U 3489/14), dass Honoraransprüche des Architekten erst mit Übergabe der Schlussrechnung fällig werden. Der Auftraggeber kann laut diesem Urteil selbst nach Ablauf von 15 Jahren nicht mit Erfolg geltend machen, der Architekt hätte seine Honoraransprüche allein durch schlichtes Schweigen verwirkt. Das gilt sogar nach Kündigung des Architektenvertrags. Natürlich gibt es auch hier Möglichkeiten, auftraggeberseits Rechtssicherheit zu schaffen. Eine davon wäre, den Architekten unter Fristsetzung zur Schlussrechnungsstellung aufzufordern.

Dr. Thomas Müller, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Diplom-Bauingenieur

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